Auch all dies geht nur aufs Konto vom Geld
Die Karelische Landenge und der Finnenberg
(aus der Turun Sanomat vom 11. Juni 2012, eine Kolumne von Veli Junttila, Magister der Philosophie, übersetzt ins Deutsche)
Stockholms vielleicht verrufenster Ort war bereits zu Anfang der 1960er das von abgebrannten Typen und Kriminellen aus Finnland in Beschlag genommene Slussen, das seinerzeit "Karelische Landenge" genannt wurde.
Von seinem Ruf her ein Quentchen besser war das von Finnen bewohnte Elendsviertel "der Finnenberg", "Finnberget", ein Camping-Areal im Wäldchen von Mälarhöjden, dicht bei Stockholm. Als dessen Wohnungen dienten Zelte sowie aus Brettern, Schachteln und Astwerk zusammengeschusterte Hütten.
Die Turun Sanomat berichtete zu dem Themenkreis in einem aus der im Juni 1962 in Stockholm erschienenen Finnischen Nachrichtenzeitung (Finska Nyhetsbladet) quotierenden Artikel. Darin wurde kein Verständnis gezeigt für die Bewohner von keinem der beiden Problemzonen.
Die Bewohner waren laut der Zeitung von der Schar ihrer Stammmitglieder her Verbrecher, die in Finnland zur Fahndung ausgerufen waren oder auf freiem Fuß das Gerichtsurteil erwarteten. Unter ihnen befanden sich auch solche, die eine Verurteilung ins Zuchthaus bereits durchstanden hatten, die die gestrenge "Nachbehandlung" von auf Bewährung entlassenen Gefangenen in ihrem Heimatland vermeiden wollten.
In gleicher Gesellschaft gab es auch viele heruntergekommene Alkoholiker sowie Abgeglittene aus unter den Brücken, junge Männer gar, welche, unkundig der Sprache, in der Gegend von Stockholm und auch sonstwo nirgends in Schweden Arbeit bekamen.
In den auf verschiedenen Ebenen verlaufenden Verkehrstunneln von Slussen war das Dach überm Kopf eine geritzte Sache, sodaß man nur ein Nachtlager aus Abfallpapier und Fetzen von Lumpen aufzuklauben brauchte. Tagsüber und abends randalierten die Männergruppen und bedrängten die Menschen auf den Straßen der Altstadt und beschafften sich mit allerhand schlitzohrigen Kunstkniffen Geld für scharfe Getränke. Die einer Arbeit nachgehenden und die anderen anständigen Finnen, die die Mehrheit der Einwanderer stellten, schauten diesem Treiben mit Schamgefühl zu.
Über den Finnenberg wurde insoweit berichtet, als daß die Bewohner obdachlose Finnen seien, viele von ihnen jedoch in einem Arbeitsverhältnis stehend, "von denen ein Teil zur Klasse der Geschirrspüler und der Kupferpolierer gehört". Auf dem Finnenberg wurde weniger randaliert als am Slussen, "die Bewohner beider Gebiete haben aber eines gemein: sie wollen nicht in ihr Heimatland zurück".
Der größte Teil der unerwünschten Finnen, wie die Kriminellen, kam auf Schwedenschiffen. Turun Sanomat verlangte in seinem Leitartikel eine Intensivierung der Überwachung bereits im Hafen von Turku, damit "unsere Landstreichersubjekte" oder "unser Bodensatz" nicht nach Schweden gelangen würde, um den Ruf unseres Landes zu verderben.
Der Leitartikelschreiber berichtete ein erhellendes Beispiel. Es befanden sich einmal in einem bestimmten Knast von Stockholm 36 Finnen und nur ein Schwede. Als die in Gewahrsam Genommenen überprüft wurden, stellte es sich heraus, daß der Schwede versehentlich zusammen mit einer Gruppe von Finnen dort hineingesteckt wurde und er wurde schleunigst freigelassen. Die in Bezug auf Slussen als lahmarschig bekrittelte Polizei Schwedens hatte schon 1961 ihre Aktionen verschärft und ung. 600 Finnen aus den Häfen zurückgewiesen. Der schwedische Staat finanzierte Reise, Verköstigung und oft auch die Auslagen des Begleiters.
Das Problem von Slussen - wenn vielleicht auch übertrieben - hielt lange an, und es gab darüber weitläufige Reportagen in den Zeitschriften. Die Auswanderungsbewegung der Finnen schwellte in den 1960ern zu einer Massenabwanderung an, im Gefolge wovon auch Slussen kontinuierliche Auffrischung erfuhr. Zwischen Schweden und Finnland gab es eine offene Grenze sowohl auf dem Meer als auch auf dem Land, und es war Arbeitskräften freigestellt, sich wegzubewegen. An diesen Rechten wollte man festhalten. Eine straffe Überwachung des Verkehrs der Passagierschiffe war in der Praxis unmöglich. Im Norden war angefangen von Tornio eine Grenzüberwachung von alters her nichtexistent.
In jener Zeit wurde noch nicht von den "Untergrundkämpfern von Slussen" gesprochen. Den Namen erfand vielleicht Juha "Watt" Vainio, als er im Jahr 1968 das gleichnamige Lied zusammenreimte, um es von Toivo Kärki vertont zu bekommen.
In der markigen Heldenparodie singt Junnu, (alternierend auf Finnisch und auf Schwedisch): "Hei, alle Penner Finnlands, am Slussen gibt es Bunker, die man nicht erobern kann".
(aus der Turun Sanomat vom 11. Juni 2012, eine Kolumne von Veli Junttila, Magister der Philosophie, übersetzt ins Deutsche)
Stockholms vielleicht verrufenster Ort war bereits zu Anfang der 1960er das von abgebrannten Typen und Kriminellen aus Finnland in Beschlag genommene Slussen, das seinerzeit "Karelische Landenge" genannt wurde.
Von seinem Ruf her ein Quentchen besser war das von Finnen bewohnte Elendsviertel "der Finnenberg", "Finnberget", ein Camping-Areal im Wäldchen von Mälarhöjden, dicht bei Stockholm. Als dessen Wohnungen dienten Zelte sowie aus Brettern, Schachteln und Astwerk zusammengeschusterte Hütten.
Die Turun Sanomat berichtete zu dem Themenkreis in einem aus der im Juni 1962 in Stockholm erschienenen Finnischen Nachrichtenzeitung (Finska Nyhetsbladet) quotierenden Artikel. Darin wurde kein Verständnis gezeigt für die Bewohner von keinem der beiden Problemzonen.
Die Bewohner waren laut der Zeitung von der Schar ihrer Stammmitglieder her Verbrecher, die in Finnland zur Fahndung ausgerufen waren oder auf freiem Fuß das Gerichtsurteil erwarteten. Unter ihnen befanden sich auch solche, die eine Verurteilung ins Zuchthaus bereits durchstanden hatten, die die gestrenge "Nachbehandlung" von auf Bewährung entlassenen Gefangenen in ihrem Heimatland vermeiden wollten.
In gleicher Gesellschaft gab es auch viele heruntergekommene Alkoholiker sowie Abgeglittene aus unter den Brücken, junge Männer gar, welche, unkundig der Sprache, in der Gegend von Stockholm und auch sonstwo nirgends in Schweden Arbeit bekamen.
In den auf verschiedenen Ebenen verlaufenden Verkehrstunneln von Slussen war das Dach überm Kopf eine geritzte Sache, sodaß man nur ein Nachtlager aus Abfallpapier und Fetzen von Lumpen aufzuklauben brauchte. Tagsüber und abends randalierten die Männergruppen und bedrängten die Menschen auf den Straßen der Altstadt und beschafften sich mit allerhand schlitzohrigen Kunstkniffen Geld für scharfe Getränke. Die einer Arbeit nachgehenden und die anderen anständigen Finnen, die die Mehrheit der Einwanderer stellten, schauten diesem Treiben mit Schamgefühl zu.
Über den Finnenberg wurde insoweit berichtet, als daß die Bewohner obdachlose Finnen seien, viele von ihnen jedoch in einem Arbeitsverhältnis stehend, "von denen ein Teil zur Klasse der Geschirrspüler und der Kupferpolierer gehört". Auf dem Finnenberg wurde weniger randaliert als am Slussen, "die Bewohner beider Gebiete haben aber eines gemein: sie wollen nicht in ihr Heimatland zurück".
Der größte Teil der unerwünschten Finnen, wie die Kriminellen, kam auf Schwedenschiffen. Turun Sanomat verlangte in seinem Leitartikel eine Intensivierung der Überwachung bereits im Hafen von Turku, damit "unsere Landstreichersubjekte" oder "unser Bodensatz" nicht nach Schweden gelangen würde, um den Ruf unseres Landes zu verderben.
Der Leitartikelschreiber berichtete ein erhellendes Beispiel. Es befanden sich einmal in einem bestimmten Knast von Stockholm 36 Finnen und nur ein Schwede. Als die in Gewahrsam Genommenen überprüft wurden, stellte es sich heraus, daß der Schwede versehentlich zusammen mit einer Gruppe von Finnen dort hineingesteckt wurde und er wurde schleunigst freigelassen. Die in Bezug auf Slussen als lahmarschig bekrittelte Polizei Schwedens hatte schon 1961 ihre Aktionen verschärft und ung. 600 Finnen aus den Häfen zurückgewiesen. Der schwedische Staat finanzierte Reise, Verköstigung und oft auch die Auslagen des Begleiters.
Das Problem von Slussen - wenn vielleicht auch übertrieben - hielt lange an, und es gab darüber weitläufige Reportagen in den Zeitschriften. Die Auswanderungsbewegung der Finnen schwellte in den 1960ern zu einer Massenabwanderung an, im Gefolge wovon auch Slussen kontinuierliche Auffrischung erfuhr. Zwischen Schweden und Finnland gab es eine offene Grenze sowohl auf dem Meer als auch auf dem Land, und es war Arbeitskräften freigestellt, sich wegzubewegen. An diesen Rechten wollte man festhalten. Eine straffe Überwachung des Verkehrs der Passagierschiffe war in der Praxis unmöglich. Im Norden war angefangen von Tornio eine Grenzüberwachung von alters her nichtexistent.
In jener Zeit wurde noch nicht von den "Untergrundkämpfern von Slussen" gesprochen. Den Namen erfand vielleicht Juha "Watt" Vainio, als er im Jahr 1968 das gleichnamige Lied zusammenreimte, um es von Toivo Kärki vertont zu bekommen.
In der markigen Heldenparodie singt Junnu, (alternierend auf Finnisch und auf Schwedisch): "Hei, alle Penner Finnlands, am Slussen gibt es Bunker, die man nicht erobern kann".
libidopter - 20. Jun, 15:48