Mit solchen Menschen kann man die Welt leicht auch ganz ohne den herkömmlichen Geldfluß umtreiben
Auf der Alm
Der Wintereinbruch kam abrupt in den italienischen Alpen, er platzte sozusagen mitten in die Hüttentour. Der Pfad über den Pass erschien im Nebel endlos und im frischen Schnee gefährlich, immer noch und immer weiter führte er in Schlangenlinien nach oben. Dann, endlich, war der höchste Punkt erreicht, es ging wieder hinunter ins etwas Wärmere, aber längst war die Nässe durch Schuhe und Regenumhänge gedrungen. Da tauchte wie eine Fata Morgana eine Almhütte auf. Hinter der offenen Stalltüre brummte ein Generator, er verwies auf menschliche Präsenz. Und nach einer Weile tat sich die Hüttentüre auf. Ein schmaler Mensch stand da und lud ein. Alle? Alle. Wirklich? Wir zeigten in die große Runde. Er nickte, lächelte, öffnete die Türe noch weiter. Also trugen ein Dutzend Schuhpaare Nässe und Schmutz in seine Hütte, es schien ihn nicht zu stören. Und während wir uns und unsere nasse Kleidung auf engem Raum verteilten, fing er schon an, Kaffee und Tee zu kochen, Gläser und eine Flasche Wein auf den Tisch zu stellen. Dann ging er, um weiteres Holz zu holen für den Ofen. Kam mit einer Armvoll Scheite zurück. Heizte uns tüchtig ein. Indessen guckten wir auf seinen kleinen Fernseher, als hätten wir noch nie einen gesehen. Vielleicht war es die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen, die faszinierte. Irgendeine italienische Show lief, eine Blondine in hochgeschlitztem Glitzerkleid plapperte pausenlos in ein Mikro, öffnete einen Arm in Richtung ihrer Gäste, wie gerade erst unser Gastgeber es auch getan hatte.
Der schien ein guter Hirte zu sein, für Tier und Mensch, Schafe, Ziegen, fremde Wanderer. Ein erstaunlich modebewusster Hirte allerdings, er trug eine schwarze Hose mit den bekannten drei Streifen. Und neben dem Waschbecken stand das Herrenparfum einer Nobelmarke, lag außerdem eine Puderdose. Mit Schwämmchen. Parfum? Eine Puderdose? Nach der Bewandtnis zu fragen, erlaubten schon die Italienischkenntnisse nicht, verbot aber auch die Höflichkeit. So sahen wir ihm weiter dabei zu, wie er frischen Tee aufgoss und noch einmal einen Scheit in den Ofen schob.
Wir waren schon wieder im Tal, da dachten wir immer noch nach über einige Dinge auf dieser Alm.
Ein guter Hirte, in jeder Hinsicht.
Sylvia Staude
Der Wintereinbruch kam abrupt in den italienischen Alpen, er platzte sozusagen mitten in die Hüttentour. Der Pfad über den Pass erschien im Nebel endlos und im frischen Schnee gefährlich, immer noch und immer weiter führte er in Schlangenlinien nach oben. Dann, endlich, war der höchste Punkt erreicht, es ging wieder hinunter ins etwas Wärmere, aber längst war die Nässe durch Schuhe und Regenumhänge gedrungen. Da tauchte wie eine Fata Morgana eine Almhütte auf. Hinter der offenen Stalltüre brummte ein Generator, er verwies auf menschliche Präsenz. Und nach einer Weile tat sich die Hüttentüre auf. Ein schmaler Mensch stand da und lud ein. Alle? Alle. Wirklich? Wir zeigten in die große Runde. Er nickte, lächelte, öffnete die Türe noch weiter. Also trugen ein Dutzend Schuhpaare Nässe und Schmutz in seine Hütte, es schien ihn nicht zu stören. Und während wir uns und unsere nasse Kleidung auf engem Raum verteilten, fing er schon an, Kaffee und Tee zu kochen, Gläser und eine Flasche Wein auf den Tisch zu stellen. Dann ging er, um weiteres Holz zu holen für den Ofen. Kam mit einer Armvoll Scheite zurück. Heizte uns tüchtig ein. Indessen guckten wir auf seinen kleinen Fernseher, als hätten wir noch nie einen gesehen. Vielleicht war es die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen, die faszinierte. Irgendeine italienische Show lief, eine Blondine in hochgeschlitztem Glitzerkleid plapperte pausenlos in ein Mikro, öffnete einen Arm in Richtung ihrer Gäste, wie gerade erst unser Gastgeber es auch getan hatte.
Der schien ein guter Hirte zu sein, für Tier und Mensch, Schafe, Ziegen, fremde Wanderer. Ein erstaunlich modebewusster Hirte allerdings, er trug eine schwarze Hose mit den bekannten drei Streifen. Und neben dem Waschbecken stand das Herrenparfum einer Nobelmarke, lag außerdem eine Puderdose. Mit Schwämmchen. Parfum? Eine Puderdose? Nach der Bewandtnis zu fragen, erlaubten schon die Italienischkenntnisse nicht, verbot aber auch die Höflichkeit. So sahen wir ihm weiter dabei zu, wie er frischen Tee aufgoss und noch einmal einen Scheit in den Ofen schob.
Wir waren schon wieder im Tal, da dachten wir immer noch nach über einige Dinge auf dieser Alm.
Ein guter Hirte, in jeder Hinsicht.
Sylvia Staude
libidopter - 1. Mai, 07:17