Da im Grunde keine Notwendigkeit besteht, Menschen zu übervorteilen, muß die Menschheit letztendlich auch nicht für immer am Geld kleben bleiben
Kyösti, ein dreifach Begnadigter
(ein Artikel aus der Sonntagsbericht-Sparte der finnischen Zeitung
Turun Sanomat vom 27.5.2007, übersetzt aus dem Finnischen)
Die Jugend von Kyösti Erkinkorpi war gespickt mit Raubdiebstählen,
Waffen, Drogen, Gewalt und Gefängnissen. Auf einer Parkbank in Stockholm
vollzog sich die totale Kehrtwendung. Anstelle einer Schrotflinte hat er
nun eine Bibel unter der Achsel und hinter ihm liegt eine lange
Laufbahn als Evangelist, der die Gefängnisse der Welt turnusmäßig besucht.
Was macht aus einem Menschen einen Kriminellen?
- Nicht so einfach, diese Frage. In meinem Fall ist es so gekommen, daß
die Dinge schon in meiner Kindheit anfingen, schiefzulaufen, sagt der
Gefängnisevangelist Kyösti Erkinkorpi, 60.
Die Familie des kleinen Kyösti besaß Ende der 1940er Jahre in der Stadt
Kuopio ein wohlbegütertes Heim. Die Mutter eine Lehrerin, der Vater ein
erfolgreicher Bauunternehmer, ein Ehepaar mit einer Tochter und einem
Sohn. Am Strand des nahegelegenen Sees, inmitten der stilvollen Möbel
passierte jedoch dann Schlimmes.
- Vater hatte den Krieg mitgemacht. Er kam mit seinen Nerven am Ende
vom Krieg zurück, die Fähigkeit, Stress zu ertragen, war bei ihm gleich
null. Heutzutage würde Depression diagnostiziert werden, doch zur
damaligen Zeit gab es keine Medikamente für derartige Zustande von
Bedrücktheit.
Außer einem einzigen: Alkohol. Der Alkohol riß denn auch den Vater des
kleinen Kyösti mit sich mit.
- Bei uns zuhause herrschten Furcht und Unsicherheit, Aggressionen und
zerbrochene Flaschen. Als ich sechs Jahre alt war, kam der totale
Zusammenbruch auf uns nieder. Vater brachte am Heiligabend vier Kollegen mit
zum Trinken zu uns nachhause. Die Männer fingen untereinander an, sich
zu streiten, erzählt Kyösti.
Vater begann, mit der Waffe herumzuballern, und die Gäste verzogen
sich. Waffen waren damals bei den Männern zuhause, die im Krieg gewesen
waren, eine weitverbreitete Sache.
- Als Vater damit anfing, uns Kinder mit einem Soldatengürtel zu
schlagen, schritt die Mutter dazwischen. Wir flohen in die Küche, aber Vater
kam hinterher und sagte: "Jetzt bringe ich euch um." Er nahm vom
Spültisch ein Brotmesser, und begann, auf Mutter zuzuschlagen.
Kyösti floh mit seiner zwei Jahre älteren Schwester in den
Treppenaufgang eines nahegelegenen Reihenhauses.
- Wir mußten nicht sterben, aber innerlich sind wir es.
Die Mutter war schwer verletzt worden. Der Vater kam ins Gefängnis.
- Späterhin machte sich Vater nach Amerika auf. Er verkaufte den
Besitzstand der Familie und ließ uns am Hungertuch knabbern, so daß wir von
der Gemeinde durchgehalten werden mußten.
Ein Junge aus Savo im Knabenheim von Lauste
Die Familie war in der Gemeinde sehr bekannt, und die tragischen
Ereignisse lösten auch Schadenfreude aus.
- Wir Kinder liefen in geborgten Kleidern herum und waren oft in
Kinderheimen, da Mutter nicht mehr konnte. Besonders die anderen Kinder waren
gemein.
Kyösti Erkinkorpi paßte nicht in die Schule, und die Behörden
beschlossen, den 13-jährigen Jungen in die Erziehungsanstalt von Lauste zu
schicken, welches auch Knabenheim genannt wurde. Kyösti wurde von seiner
Schwester entzweit.
- Ein Junge aus Savo in Turku... Ich wurde schon allein wegen meines
Dialekts zu einem Dorn im Auge. In der Erziehungsanstalt herrschte zu
jener Zeit eine genaue Gruppendisziplin und Unterwürfigkeit. Ich erinnere
mich noch gut daran, wie ich an den Eichentisch der Kanzlei gebunden
und mit einem Röhrchenstecken traktiert wurde.
Kyösti fand sich nicht dazu bereit, sich zu unterwerfen. Er sagt, daß
er von seiner Verwandtschaft von Mutters Seiten gelernt hat, daß das
Vorbringen der eigenen Meinung etwas erlaubtes ist.
- Wir waren zusammen 120 Kerle an einem Ort. Akzeptanz erzielte man nur
durch rücksichtsloses Benehmen. In jener Zeit waren 80 Prozent aller
Häftlinge von Finnland Zöglinge von Schulheimen. Die Schulheime waren
eine Primärschule für die Gefängnisse, erzählt Kyösti.
Nachdem er zwei Jahre lang in Lauste verbracht hatte, kam Kyösti
aufgrund begangener Mißhandlungen und Raubzüge zum Schluß ins Jugendgefängnis
von Kerava.
- Wenn die Zelle abgeschlossen wurde, war ich erleichtert. Endlich
wieder Ruhe!
Die Schwester von Kyösti hatte es bei all den Ereignissen besser
angetroffen, und es wurde aus ihr eine Krankenschwester.
Von zwei Präsidenten begnadigt
Die Armee absolvierte Kyösti mit einer Spezialgenehmigung - sie war
eine Alternative zum Gefängnis. Die Mutter starb jedoch während der Zeit
bei der Armee, und der Junge geriet zu einer räubernden Clique und
wieder ins Gefängnis. Hernach bekam Kyösti eine Begnadigung durch Präsident
Urho Kekkonen. Es hatte sich ein Speziallehrer dafür eingesetzt, der
ein Bekannter von Kekkonen war.
Späterhin wurde Kyösti auch von einem anderen Präsidenten noch
begnadigt, von Mauno Koivisto. Die kriminelle Laufbahn war jedoch von den
Begnadigungen nicht unterbrochen worden.
Nachdem er zehn Jahre lang immer wieder im Knast gelandet war,
entschloss sich Kyösti Erkinkorpi, sich endlich zusammenzureißen.
- Ich dachte daran, mich in die Gesellschaft zu integrieren. Ich
verheiratete mich in Kuopio und bekam im Jahre 1974 einen Sohn. Vom
Gerichtshof trafen jedoch weiter ältere Urteile ein, und es kam so weit, daß ich
noch ein paar Jährchen absitzen mußte. Dies ist ein großes Problem,
sogar jetzt noch. Urteile hängen jahrelang in der Luft, und einer, der
sein Leben wieder in Ordnung gebracht hat, muß rein deshalb wieder in den
Bau zurück. Dem hält kein Verhältnis mit einem Lebenspartner stand.
So ist es auch Kyösti ergangen. Die Gemahlin hatte im Frühjahr 1979 das
Haus verkauft, das gemeinsame Kind in Finnland zurückgelassen, und sich
ins Ausland, nach Schweden und Dänemark, verflüchtigt.
- Ungemein herabsetzend, noch gemeiner hätte sie es nicht machen
können! Nachdem ich freigekommen war, machte ich mich hinter meiner Ex-Frau
her. Ich hatte mich entschlossen, daß sie zwischen Brettern, und ich in
Eisen, nach Finnland zurückkehren werde. Ich war jedoch stets um eine
oder zwei Wochen zu spät auf ihre Spur gekommen, zum Glück.
Bankeinbrüche, Drogen - und Jesus
Im Stadtteil Hallunda von Stockholm schloß Kyösti sich einer Gang von
zwanzig, dreißig finnischen Kriminellen an. Die verruchten Banditen
begingen Bankeinbrüche und betrieben Handel mit Drogen. Kyösti schlief mit
der Schrotflinte unter der Achsel und war Zeuge vom Tod manch eines
Kollegen.
- Einem wurde das Hirn auf die Straße hinausgeblasen, ein anderer hatte
einen Finnendolch im Bauch, ein dritter erhängte sich in der Zelle. Auf
mich ist geschossen worden, ich bin von einem Auto überrollt und mit
einer Eisenstange auf den Kopf gehauen worden. Ein richtiger Krieg war
das, erinnert sich Kyösti.
Kein Wunder, daß das Leben als aufreibend empfunden wurde. Einmal,
während er auf einer Parkbank saß, erhielt Kyösti einen Gesprächspartner
mit Überraschungen bei der Hand. Ein Mann in seinen Siebzigern erzählte
dem Verbrecher von Jesus und gab ihm Blätter zum Lesen.
- Der Mann sagte: "Du wirst vom Teufel beritten." Er bat mich, in die
Filadelfia-Gemeinde in Stockholm zu kommen, eine Gemeinde der
Pentecostal-Bewegung, die für Finnen eine eigene Abteilung unterhielt. Ich ging
dann auch hin, zusammen mit meinem Kumpel Kakola, aber es hatte mich
viel Überwindung gekostet. Wir hatten Schrotflinten, eine Pistole und
einen Dolch mit uns, erzählt Kyösti.
Nach der Predigt wollte Kyösti vom Prediger wissen, ob denn auch ein
Kerl, so wie er einer wäre, vom Herrn ein Vergeben zu erwarten hätte. Die
Antwort fiel bejahend aus, und der Kittel war damit geflickt. Der
Schwerverbrecher Kyösti Erkinkorpi hatte zum Glauben gefunden.
Reichte bei der Polizei seine Raubbeute und seine Waffen ein
Der frischbackene Gläubige hatte so mancherlei unabgegoltene Sünde noch
auf seinem Konto stehen.
- Ich reichte auf der Polizeiwache 250 000 Kronen an erraubten Geldern
und meine Waffen ein. Zur Erklärung gab ich an, daß ich zum Glauben
gefunden hätte, und die Polizisten versprachen es mir, die Mappe mit
meinen Papieren zu den Akten zu legen, insofern ich nicht mehr entsprechend
auffallen würde.
Er ist dem schwedischen Gemeinwesen dafür sehr dankbar, daß ihm eine
derartige Chance zugestanden wurde. In Finnland wäre das nicht so
ausgegangen.
- Es bedeutete eine große Veränderung, den Menschen wieder Vertrauen
schenken zu können, und zu begreifen, daß keine Notwendigkeit besteht,
die Menschen zu übervorteilen. Zum Glück war es nicht so weit gekommen,
daß ich einen Menschen getötet hätte. Ich möchte gerne glauben, daß Gott
mich davor geschont hat, um für bessere Aufgaben da zu sein.
Kyösti fing damit an, Gefängnisse abzuklappern, und Dutzende seiner
Kameraden haben schon in Bibelzirkeln ihrerseits zum Glauben gefunden. In
der Schar derer befinden sich Verbrecher des schweren Kalibers, wie ein
gewisser Empu der Millionenliga und ein Reijo "Klinu" Roikkanen, der
für einen Mord lebenslänglich bekommen hatte. Unter denen, die zu Jesus
gefunden haben, sind aber auch Polizisten und Personal der Gefängnisse.
- Als ich im Gefängnis von Riihimäki mit Klinu zusammentraf, war dort
als deren zweiter Gefängnisleiter der ehemalige Chef der Wärtertruppe
des Gefängnisses von Kuopio. Ich hatte in Kuopio damals danach
getrachtet, ebenjenen umzubringen. Jetzt waren wir beide im Glauben vereint,
erzählt Kyösti.
Aus dem Kreise der Gemeinde fand sich auch Ehefrau Kaisa, und das
Ehepaar, das in Kirkkonummi wohnt, hält unbeirrbar fest zueinander. Sie
bekamen auch ein gemeinsames Kind, eine Tochter.
- Die Ex-Frau habe ich nur noch einmal zu sehen bekommen. Vielleicht
auch dies eine Anleitung des Herrn, stellt Kyösti verschmitzt fest.
Im Jahre 1982 nahm der höchste leitende Beamte, der für die Betreuung
der Häftlinge in Finnland zuständig war, K. J. Lång zu Kyösti Kontakt
auf. Lång schlug vor, daß Kyösti damit anfange, den Haftanstalten von
Finnland reihum seinen Besuch abzustatten. Lång erledigte die Papiere,
mittels denen der Evangeliengefängnispredigersich freizügig in
Vollzugshäusern bewegen konnte.
"Psychologische Betreuung" in Gefängnissen Rußlands
Die Arbeit fürs Gefängnis und eine Arbeitsstelle in der Salem-Gemeinde
von Helsinki ließen Kyösti im Jahre 1986 nach Finnland zurückkehren.
Ein paar Jahre später weiteten sich seine Touren zu den Gefängnissen auch
auf das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion aus. Neben Bibeln und seinen
eigenen Geschichten brachte Kyösti mit seiner Gruppe für die Häftlinge
auch Lebensmittel, Kleider und Arzneien mit.
- Kirchliche Gemeinden waren in der Sowjetunion über siebzig Jahre
hinweg verfolgt worden. Kirchen waren zu Pferdeställen und zu Tanzschuppen
umfunktioniert worden. Prediger wurden keine ins Land hereingelassen,
so daß die Besuche mit der Umschreibung "Psychologische Betreuung"
vermerkt wurden, erzählt er.
- Gefangenenlager waren geheimgehalten, zum Beispiel wusste die
örtliche Bevölkerung von Wolgograd nichts von der Existenz eines
Kindergefängnisses in ihrer Stadt. Ich ziehe den Hut ab vor Präsident Yeltsin, in
wessen Ära unsere ersten Besuche ermöglicht wurden.
Kyösti Erkinkorpi hatte sich die Türen der Gefängnisse geöffnet, indem
er örtliche Behörden, steife und mißtrauische Oberste, die einen großen
Einfluß hatten, zu einer Visite nach Finnland einlud.
Zu Ende der 1990er Jahre suchte Kyösti sämtliche Gefängnisse von
Karelien auf. Auf dem Gebiet gab es 9 000 Gefangene, die alle in
erschütternden Verhältnissen ihr Dasein fristeten. In Weißmeer-Karelien wurden in
das Gefängnis von Nadwoitsa tuberkulosekranke Häftlinge von überallher
aus Rußland verbracht. In einer Neun-Quadratmeter-Zelle konnten bis zu
15 Häftlinge untergebracht sein, und jeden Monat starben über 100
Gefangene.
Von Finnland aus wurden für die Gefängnisanstalten Umsorgungsprogramme
für die an Tuberkulose Erkrankten samt Laboratorien und Kliniken
organisiert. Nahrungsmittel und Bekleidung, genug, um davon auch an die
örtliche Bevölkerung etwas zu verteilen, wurden auf Dutzenden von Lastwagen
herangeschafft.
- In jedem Oblast, Bezirken zu vergleichen, gibt es Hunderte von
Gefangenenlager. In Rußland hat jeder vierte Einwohner irgendwie mit einem
Gefängnis zu tun, entweder als ehemaliger Insasse oder als Verwandter
eines In-Haft-Sitzenden.
Allein an Kindergefängnissen gibt es im Land weit über hundert. Die
amtliche Anzahl von in Haft genommenen Kindern wird als zwischen 18 000
und 25 000 angegeben, aber Kyösti schätzt, daß die wirkliche Ziffer
zehnmal so hoch sei.
- Ein gewisser 12-jähriger erzählte, daß er Lebensmittel und ein
Fahrrad gestohlen hätte. Seine Absicht sei es aber gewesen, nur aus dem
Erziehungsheim wegzukommen, in dem das Kind als ein Landarbeitersklave
gehalten wurde.
"Rußland ist zur KGB-Zeit zurückgekehrt"
Gegenwärtig, zu Zeiten der jetzigen Regierung, ist die Missions- und
Hilfsprogramme-Arbeit beträchtlich erschwert worden, verglichen mit
ehedem. Große Kampagnen, ähnlich der des Tuberkulose-Projekts, sind
mittlerweile unmöglich geworden, und auch das Hinüberschaffen von Hilfsgütern
gestaltet sich nunmehr nur als sehr schwierig.
- In der Epoche von Putin werden die Schrauben fester und fester
angedreht, das Land verschließt sich und kehrt zu KGB-Zeiten zurück. Die
Furcht vor der alten Sowjet-Macht ist klar sichtbar am Zurückkommen.
Jemand, der das System kritisiert, muß mit Problemen rechnen, erzählt Kyösti.
So wie auch ihm selbst ergangen. Vor ein paar Jahren fuhr Kyösti zu
einem Kindergefangenenlager in die Waffenindustrie-Stadt Ufa und
kritisierte die Verhältnisse auf eine Art und Weise, daß es den Behörden unter
den Nägeln juckte.
- Als ich das letzte Mal nach Rußland aufbrechen sollte, kam mir zu
hören, daß ich ein Visumsverbot bekommen hätte. Angeblich sei ich in
Rußland eine unerwünschte Person (persona non grata). Wir sind jetzt dabei,
die örtlichen kirchlichen Gemeinden und deren vertrauenswürdige Leute
ins Zeug zu kriegen, um die Arbeit fortzusetzen.
Die Leute draußen im Land geben offen zu, daß die Religion für sie ein
Vakuum ausfüllt, das der Kommunismus zurückgelassen hat. Die Glaubenden
stellen für manch einen Gefangenen die einzigen dar, die sich um ihn
kümmern. Auf eine hilfsreiche Hand der Gesellschaft kann ein ehemaliger
Gefangener nicht hoffen.
- Manch einer schließt sich uns an, um im zivilen Leben leichter an
materielle Hilfe zu kommen, aber doch gibt es unter ihnen auch solche, die
ernsthaft gläubig sind.
Kirchliche Gemeinschaften sind auch innerhalb der Gefängnisse operativ.
Kyösti erhielt als erster Mann aus dem Westen ein eigenes christliches
Kirchengebäude auf dem Territorium eines Gefangenenlagers von
Archangelsk hingestellt. Häftlinge, die sich auf Schreiner- und Zimmererarbeiten
verstehen, hatten die Kirche mit eigenen Händen für ihn errichtet.
Gefängnisse in über 40 Ländern besucht
Kyösti Erkinkorpi war als Abgesandter des Amts für das Rechtswesen und
den Justizvollzug von Finnland in Gefängnisse von über 40 Ländern
gekommen und ist dabei mit Hunderttausenden von Häftlingen zusammengekommen.
Zur Zeit ist er als internationaler Gefängnisevangelist beim Fernsehen
der Medienmissionsorganisation IRR beschäftigt. Seine Aufgabe ist es,
durch seine Kontakte neue Objekte für die Gefängnisarbeit zu
erschließen.
Die schrecklichsten Gefängnisse befinden sich laut Kyösti in Afrika und
in Südamerika. An vielen Orten muß selbst der Besucher um sein Leben
fürchten.
Zum Beispiel in Sao Paulo in Brasilien sind Aufstände und Geiselnahmen
von Gefängnispersonal an der Tagesordnung. Es gibt tausende von
Häftlinge, und ein jeder sitzt ein Urteil von zwischen 40 und 400 Jahren ab.
- Auf einer gewissen Besuchsreise kamen düstere Gefühle auf. Ich hatte
in meiner Dummheit neben dem Dolmetscher meine Frau mit ihrer Freundin
mitgenommen. Es herrschte eine Hitze von 40 Grad und der Schweiß lief
an uns nur so herab, als wir endlich in der Halle ankamen, und dann
waren da 600 schwarze Männer zusammengebracht worden, wie sich Kyösti an
den Schreckensmoment erinnert.
- Ich zog mein Hemd aus. Die Gefangenen konnten sehen, daß ich bis zum
Hals hoch tätowiert bin, und sie fingen an, zu klatschen. Ich sagte
ihnen, daß ich auch einmal so einer, wie sie selber sind, war, daß ich
weiß, wie es ist. Nach einer Predigt verteilte ich an sie das Heilige
Abendmahl.
Das ist eben diese gewisse Vertrauensseligkeit von der Straße her.
Sari Miettunen
(ein Artikel aus der Sonntagsbericht-Sparte der finnischen Zeitung
Turun Sanomat vom 27.5.2007, übersetzt aus dem Finnischen)
Die Jugend von Kyösti Erkinkorpi war gespickt mit Raubdiebstählen,
Waffen, Drogen, Gewalt und Gefängnissen. Auf einer Parkbank in Stockholm
vollzog sich die totale Kehrtwendung. Anstelle einer Schrotflinte hat er
nun eine Bibel unter der Achsel und hinter ihm liegt eine lange
Laufbahn als Evangelist, der die Gefängnisse der Welt turnusmäßig besucht.
Was macht aus einem Menschen einen Kriminellen?
- Nicht so einfach, diese Frage. In meinem Fall ist es so gekommen, daß
die Dinge schon in meiner Kindheit anfingen, schiefzulaufen, sagt der
Gefängnisevangelist Kyösti Erkinkorpi, 60.
Die Familie des kleinen Kyösti besaß Ende der 1940er Jahre in der Stadt
Kuopio ein wohlbegütertes Heim. Die Mutter eine Lehrerin, der Vater ein
erfolgreicher Bauunternehmer, ein Ehepaar mit einer Tochter und einem
Sohn. Am Strand des nahegelegenen Sees, inmitten der stilvollen Möbel
passierte jedoch dann Schlimmes.
- Vater hatte den Krieg mitgemacht. Er kam mit seinen Nerven am Ende
vom Krieg zurück, die Fähigkeit, Stress zu ertragen, war bei ihm gleich
null. Heutzutage würde Depression diagnostiziert werden, doch zur
damaligen Zeit gab es keine Medikamente für derartige Zustande von
Bedrücktheit.
Außer einem einzigen: Alkohol. Der Alkohol riß denn auch den Vater des
kleinen Kyösti mit sich mit.
- Bei uns zuhause herrschten Furcht und Unsicherheit, Aggressionen und
zerbrochene Flaschen. Als ich sechs Jahre alt war, kam der totale
Zusammenbruch auf uns nieder. Vater brachte am Heiligabend vier Kollegen mit
zum Trinken zu uns nachhause. Die Männer fingen untereinander an, sich
zu streiten, erzählt Kyösti.
Vater begann, mit der Waffe herumzuballern, und die Gäste verzogen
sich. Waffen waren damals bei den Männern zuhause, die im Krieg gewesen
waren, eine weitverbreitete Sache.
- Als Vater damit anfing, uns Kinder mit einem Soldatengürtel zu
schlagen, schritt die Mutter dazwischen. Wir flohen in die Küche, aber Vater
kam hinterher und sagte: "Jetzt bringe ich euch um." Er nahm vom
Spültisch ein Brotmesser, und begann, auf Mutter zuzuschlagen.
Kyösti floh mit seiner zwei Jahre älteren Schwester in den
Treppenaufgang eines nahegelegenen Reihenhauses.
- Wir mußten nicht sterben, aber innerlich sind wir es.
Die Mutter war schwer verletzt worden. Der Vater kam ins Gefängnis.
- Späterhin machte sich Vater nach Amerika auf. Er verkaufte den
Besitzstand der Familie und ließ uns am Hungertuch knabbern, so daß wir von
der Gemeinde durchgehalten werden mußten.
Ein Junge aus Savo im Knabenheim von Lauste
Die Familie war in der Gemeinde sehr bekannt, und die tragischen
Ereignisse lösten auch Schadenfreude aus.
- Wir Kinder liefen in geborgten Kleidern herum und waren oft in
Kinderheimen, da Mutter nicht mehr konnte. Besonders die anderen Kinder waren
gemein.
Kyösti Erkinkorpi paßte nicht in die Schule, und die Behörden
beschlossen, den 13-jährigen Jungen in die Erziehungsanstalt von Lauste zu
schicken, welches auch Knabenheim genannt wurde. Kyösti wurde von seiner
Schwester entzweit.
- Ein Junge aus Savo in Turku... Ich wurde schon allein wegen meines
Dialekts zu einem Dorn im Auge. In der Erziehungsanstalt herrschte zu
jener Zeit eine genaue Gruppendisziplin und Unterwürfigkeit. Ich erinnere
mich noch gut daran, wie ich an den Eichentisch der Kanzlei gebunden
und mit einem Röhrchenstecken traktiert wurde.
Kyösti fand sich nicht dazu bereit, sich zu unterwerfen. Er sagt, daß
er von seiner Verwandtschaft von Mutters Seiten gelernt hat, daß das
Vorbringen der eigenen Meinung etwas erlaubtes ist.
- Wir waren zusammen 120 Kerle an einem Ort. Akzeptanz erzielte man nur
durch rücksichtsloses Benehmen. In jener Zeit waren 80 Prozent aller
Häftlinge von Finnland Zöglinge von Schulheimen. Die Schulheime waren
eine Primärschule für die Gefängnisse, erzählt Kyösti.
Nachdem er zwei Jahre lang in Lauste verbracht hatte, kam Kyösti
aufgrund begangener Mißhandlungen und Raubzüge zum Schluß ins Jugendgefängnis
von Kerava.
- Wenn die Zelle abgeschlossen wurde, war ich erleichtert. Endlich
wieder Ruhe!
Die Schwester von Kyösti hatte es bei all den Ereignissen besser
angetroffen, und es wurde aus ihr eine Krankenschwester.
Von zwei Präsidenten begnadigt
Die Armee absolvierte Kyösti mit einer Spezialgenehmigung - sie war
eine Alternative zum Gefängnis. Die Mutter starb jedoch während der Zeit
bei der Armee, und der Junge geriet zu einer räubernden Clique und
wieder ins Gefängnis. Hernach bekam Kyösti eine Begnadigung durch Präsident
Urho Kekkonen. Es hatte sich ein Speziallehrer dafür eingesetzt, der
ein Bekannter von Kekkonen war.
Späterhin wurde Kyösti auch von einem anderen Präsidenten noch
begnadigt, von Mauno Koivisto. Die kriminelle Laufbahn war jedoch von den
Begnadigungen nicht unterbrochen worden.
Nachdem er zehn Jahre lang immer wieder im Knast gelandet war,
entschloss sich Kyösti Erkinkorpi, sich endlich zusammenzureißen.
- Ich dachte daran, mich in die Gesellschaft zu integrieren. Ich
verheiratete mich in Kuopio und bekam im Jahre 1974 einen Sohn. Vom
Gerichtshof trafen jedoch weiter ältere Urteile ein, und es kam so weit, daß ich
noch ein paar Jährchen absitzen mußte. Dies ist ein großes Problem,
sogar jetzt noch. Urteile hängen jahrelang in der Luft, und einer, der
sein Leben wieder in Ordnung gebracht hat, muß rein deshalb wieder in den
Bau zurück. Dem hält kein Verhältnis mit einem Lebenspartner stand.
So ist es auch Kyösti ergangen. Die Gemahlin hatte im Frühjahr 1979 das
Haus verkauft, das gemeinsame Kind in Finnland zurückgelassen, und sich
ins Ausland, nach Schweden und Dänemark, verflüchtigt.
- Ungemein herabsetzend, noch gemeiner hätte sie es nicht machen
können! Nachdem ich freigekommen war, machte ich mich hinter meiner Ex-Frau
her. Ich hatte mich entschlossen, daß sie zwischen Brettern, und ich in
Eisen, nach Finnland zurückkehren werde. Ich war jedoch stets um eine
oder zwei Wochen zu spät auf ihre Spur gekommen, zum Glück.
Bankeinbrüche, Drogen - und Jesus
Im Stadtteil Hallunda von Stockholm schloß Kyösti sich einer Gang von
zwanzig, dreißig finnischen Kriminellen an. Die verruchten Banditen
begingen Bankeinbrüche und betrieben Handel mit Drogen. Kyösti schlief mit
der Schrotflinte unter der Achsel und war Zeuge vom Tod manch eines
Kollegen.
- Einem wurde das Hirn auf die Straße hinausgeblasen, ein anderer hatte
einen Finnendolch im Bauch, ein dritter erhängte sich in der Zelle. Auf
mich ist geschossen worden, ich bin von einem Auto überrollt und mit
einer Eisenstange auf den Kopf gehauen worden. Ein richtiger Krieg war
das, erinnert sich Kyösti.
Kein Wunder, daß das Leben als aufreibend empfunden wurde. Einmal,
während er auf einer Parkbank saß, erhielt Kyösti einen Gesprächspartner
mit Überraschungen bei der Hand. Ein Mann in seinen Siebzigern erzählte
dem Verbrecher von Jesus und gab ihm Blätter zum Lesen.
- Der Mann sagte: "Du wirst vom Teufel beritten." Er bat mich, in die
Filadelfia-Gemeinde in Stockholm zu kommen, eine Gemeinde der
Pentecostal-Bewegung, die für Finnen eine eigene Abteilung unterhielt. Ich ging
dann auch hin, zusammen mit meinem Kumpel Kakola, aber es hatte mich
viel Überwindung gekostet. Wir hatten Schrotflinten, eine Pistole und
einen Dolch mit uns, erzählt Kyösti.
Nach der Predigt wollte Kyösti vom Prediger wissen, ob denn auch ein
Kerl, so wie er einer wäre, vom Herrn ein Vergeben zu erwarten hätte. Die
Antwort fiel bejahend aus, und der Kittel war damit geflickt. Der
Schwerverbrecher Kyösti Erkinkorpi hatte zum Glauben gefunden.
Reichte bei der Polizei seine Raubbeute und seine Waffen ein
Der frischbackene Gläubige hatte so mancherlei unabgegoltene Sünde noch
auf seinem Konto stehen.
- Ich reichte auf der Polizeiwache 250 000 Kronen an erraubten Geldern
und meine Waffen ein. Zur Erklärung gab ich an, daß ich zum Glauben
gefunden hätte, und die Polizisten versprachen es mir, die Mappe mit
meinen Papieren zu den Akten zu legen, insofern ich nicht mehr entsprechend
auffallen würde.
Er ist dem schwedischen Gemeinwesen dafür sehr dankbar, daß ihm eine
derartige Chance zugestanden wurde. In Finnland wäre das nicht so
ausgegangen.
- Es bedeutete eine große Veränderung, den Menschen wieder Vertrauen
schenken zu können, und zu begreifen, daß keine Notwendigkeit besteht,
die Menschen zu übervorteilen. Zum Glück war es nicht so weit gekommen,
daß ich einen Menschen getötet hätte. Ich möchte gerne glauben, daß Gott
mich davor geschont hat, um für bessere Aufgaben da zu sein.
Kyösti fing damit an, Gefängnisse abzuklappern, und Dutzende seiner
Kameraden haben schon in Bibelzirkeln ihrerseits zum Glauben gefunden. In
der Schar derer befinden sich Verbrecher des schweren Kalibers, wie ein
gewisser Empu der Millionenliga und ein Reijo "Klinu" Roikkanen, der
für einen Mord lebenslänglich bekommen hatte. Unter denen, die zu Jesus
gefunden haben, sind aber auch Polizisten und Personal der Gefängnisse.
- Als ich im Gefängnis von Riihimäki mit Klinu zusammentraf, war dort
als deren zweiter Gefängnisleiter der ehemalige Chef der Wärtertruppe
des Gefängnisses von Kuopio. Ich hatte in Kuopio damals danach
getrachtet, ebenjenen umzubringen. Jetzt waren wir beide im Glauben vereint,
erzählt Kyösti.
Aus dem Kreise der Gemeinde fand sich auch Ehefrau Kaisa, und das
Ehepaar, das in Kirkkonummi wohnt, hält unbeirrbar fest zueinander. Sie
bekamen auch ein gemeinsames Kind, eine Tochter.
- Die Ex-Frau habe ich nur noch einmal zu sehen bekommen. Vielleicht
auch dies eine Anleitung des Herrn, stellt Kyösti verschmitzt fest.
Im Jahre 1982 nahm der höchste leitende Beamte, der für die Betreuung
der Häftlinge in Finnland zuständig war, K. J. Lång zu Kyösti Kontakt
auf. Lång schlug vor, daß Kyösti damit anfange, den Haftanstalten von
Finnland reihum seinen Besuch abzustatten. Lång erledigte die Papiere,
mittels denen der Evangeliengefängnispredigersich freizügig in
Vollzugshäusern bewegen konnte.
"Psychologische Betreuung" in Gefängnissen Rußlands
Die Arbeit fürs Gefängnis und eine Arbeitsstelle in der Salem-Gemeinde
von Helsinki ließen Kyösti im Jahre 1986 nach Finnland zurückkehren.
Ein paar Jahre später weiteten sich seine Touren zu den Gefängnissen auch
auf das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion aus. Neben Bibeln und seinen
eigenen Geschichten brachte Kyösti mit seiner Gruppe für die Häftlinge
auch Lebensmittel, Kleider und Arzneien mit.
- Kirchliche Gemeinden waren in der Sowjetunion über siebzig Jahre
hinweg verfolgt worden. Kirchen waren zu Pferdeställen und zu Tanzschuppen
umfunktioniert worden. Prediger wurden keine ins Land hereingelassen,
so daß die Besuche mit der Umschreibung "Psychologische Betreuung"
vermerkt wurden, erzählt er.
- Gefangenenlager waren geheimgehalten, zum Beispiel wusste die
örtliche Bevölkerung von Wolgograd nichts von der Existenz eines
Kindergefängnisses in ihrer Stadt. Ich ziehe den Hut ab vor Präsident Yeltsin, in
wessen Ära unsere ersten Besuche ermöglicht wurden.
Kyösti Erkinkorpi hatte sich die Türen der Gefängnisse geöffnet, indem
er örtliche Behörden, steife und mißtrauische Oberste, die einen großen
Einfluß hatten, zu einer Visite nach Finnland einlud.
Zu Ende der 1990er Jahre suchte Kyösti sämtliche Gefängnisse von
Karelien auf. Auf dem Gebiet gab es 9 000 Gefangene, die alle in
erschütternden Verhältnissen ihr Dasein fristeten. In Weißmeer-Karelien wurden in
das Gefängnis von Nadwoitsa tuberkulosekranke Häftlinge von überallher
aus Rußland verbracht. In einer Neun-Quadratmeter-Zelle konnten bis zu
15 Häftlinge untergebracht sein, und jeden Monat starben über 100
Gefangene.
Von Finnland aus wurden für die Gefängnisanstalten Umsorgungsprogramme
für die an Tuberkulose Erkrankten samt Laboratorien und Kliniken
organisiert. Nahrungsmittel und Bekleidung, genug, um davon auch an die
örtliche Bevölkerung etwas zu verteilen, wurden auf Dutzenden von Lastwagen
herangeschafft.
- In jedem Oblast, Bezirken zu vergleichen, gibt es Hunderte von
Gefangenenlager. In Rußland hat jeder vierte Einwohner irgendwie mit einem
Gefängnis zu tun, entweder als ehemaliger Insasse oder als Verwandter
eines In-Haft-Sitzenden.
Allein an Kindergefängnissen gibt es im Land weit über hundert. Die
amtliche Anzahl von in Haft genommenen Kindern wird als zwischen 18 000
und 25 000 angegeben, aber Kyösti schätzt, daß die wirkliche Ziffer
zehnmal so hoch sei.
- Ein gewisser 12-jähriger erzählte, daß er Lebensmittel und ein
Fahrrad gestohlen hätte. Seine Absicht sei es aber gewesen, nur aus dem
Erziehungsheim wegzukommen, in dem das Kind als ein Landarbeitersklave
gehalten wurde.
"Rußland ist zur KGB-Zeit zurückgekehrt"
Gegenwärtig, zu Zeiten der jetzigen Regierung, ist die Missions- und
Hilfsprogramme-Arbeit beträchtlich erschwert worden, verglichen mit
ehedem. Große Kampagnen, ähnlich der des Tuberkulose-Projekts, sind
mittlerweile unmöglich geworden, und auch das Hinüberschaffen von Hilfsgütern
gestaltet sich nunmehr nur als sehr schwierig.
- In der Epoche von Putin werden die Schrauben fester und fester
angedreht, das Land verschließt sich und kehrt zu KGB-Zeiten zurück. Die
Furcht vor der alten Sowjet-Macht ist klar sichtbar am Zurückkommen.
Jemand, der das System kritisiert, muß mit Problemen rechnen, erzählt Kyösti.
So wie auch ihm selbst ergangen. Vor ein paar Jahren fuhr Kyösti zu
einem Kindergefangenenlager in die Waffenindustrie-Stadt Ufa und
kritisierte die Verhältnisse auf eine Art und Weise, daß es den Behörden unter
den Nägeln juckte.
- Als ich das letzte Mal nach Rußland aufbrechen sollte, kam mir zu
hören, daß ich ein Visumsverbot bekommen hätte. Angeblich sei ich in
Rußland eine unerwünschte Person (persona non grata). Wir sind jetzt dabei,
die örtlichen kirchlichen Gemeinden und deren vertrauenswürdige Leute
ins Zeug zu kriegen, um die Arbeit fortzusetzen.
Die Leute draußen im Land geben offen zu, daß die Religion für sie ein
Vakuum ausfüllt, das der Kommunismus zurückgelassen hat. Die Glaubenden
stellen für manch einen Gefangenen die einzigen dar, die sich um ihn
kümmern. Auf eine hilfsreiche Hand der Gesellschaft kann ein ehemaliger
Gefangener nicht hoffen.
- Manch einer schließt sich uns an, um im zivilen Leben leichter an
materielle Hilfe zu kommen, aber doch gibt es unter ihnen auch solche, die
ernsthaft gläubig sind.
Kirchliche Gemeinschaften sind auch innerhalb der Gefängnisse operativ.
Kyösti erhielt als erster Mann aus dem Westen ein eigenes christliches
Kirchengebäude auf dem Territorium eines Gefangenenlagers von
Archangelsk hingestellt. Häftlinge, die sich auf Schreiner- und Zimmererarbeiten
verstehen, hatten die Kirche mit eigenen Händen für ihn errichtet.
Gefängnisse in über 40 Ländern besucht
Kyösti Erkinkorpi war als Abgesandter des Amts für das Rechtswesen und
den Justizvollzug von Finnland in Gefängnisse von über 40 Ländern
gekommen und ist dabei mit Hunderttausenden von Häftlingen zusammengekommen.
Zur Zeit ist er als internationaler Gefängnisevangelist beim Fernsehen
der Medienmissionsorganisation IRR beschäftigt. Seine Aufgabe ist es,
durch seine Kontakte neue Objekte für die Gefängnisarbeit zu
erschließen.
Die schrecklichsten Gefängnisse befinden sich laut Kyösti in Afrika und
in Südamerika. An vielen Orten muß selbst der Besucher um sein Leben
fürchten.
Zum Beispiel in Sao Paulo in Brasilien sind Aufstände und Geiselnahmen
von Gefängnispersonal an der Tagesordnung. Es gibt tausende von
Häftlinge, und ein jeder sitzt ein Urteil von zwischen 40 und 400 Jahren ab.
- Auf einer gewissen Besuchsreise kamen düstere Gefühle auf. Ich hatte
in meiner Dummheit neben dem Dolmetscher meine Frau mit ihrer Freundin
mitgenommen. Es herrschte eine Hitze von 40 Grad und der Schweiß lief
an uns nur so herab, als wir endlich in der Halle ankamen, und dann
waren da 600 schwarze Männer zusammengebracht worden, wie sich Kyösti an
den Schreckensmoment erinnert.
- Ich zog mein Hemd aus. Die Gefangenen konnten sehen, daß ich bis zum
Hals hoch tätowiert bin, und sie fingen an, zu klatschen. Ich sagte
ihnen, daß ich auch einmal so einer, wie sie selber sind, war, daß ich
weiß, wie es ist. Nach einer Predigt verteilte ich an sie das Heilige
Abendmahl.
Das ist eben diese gewisse Vertrauensseligkeit von der Straße her.
Sari Miettunen
libidopter - 31. Mai, 13:56