Elf Personen starben bei einer Schulschießerei im finnischen Kauhajoki
(aktuelle Meldungen aus der finnischen Zeitung Turun Sanomat vom 24.9.2008, übersetzt aus dem Finnischen)
Bei einem Schießzwischenfall in der haus- und institutswirtschaftlichen Lehranstalt in Kauhajoki sind den Behörden zufolge 11 Menschen ums Leben gekommen. Eine Person ist schwer verletzt worden. Die ums Leben Gekommenen sind wahrscheinlich alle Schüler an der Schule. Einer von ihnen ist der Todesschütze selbst, der 22jährige Schüler derselben Schule Matti Juhani Saari. Saari hatte gestern morgen damit begonnen, im Kellergeschoß der Lehreinrichtung herumzuschießen.
Die Polizei hatte das Beschlagnehmen der Waffe in Erwägung gezogen
Die Innenministerin [Finnlands] Anne Holmlund verspricht eine genaue Klarstellung zu den Aktionen der Polizei, die dem Schießvorfall in Kauhajoki vorausgingen. Die Polizei verhörte den als Schützen verdächtigten Mann erst am Montag dieser Woche.
Die Polizei hatte eine Beschlagnahme der Waffe in Erwägung gezogen, jedoch durfte der Mann sie dann doch behalten. Die Polizei kam zu der Ansicht, daß es keine Grundlage gäbe für eine Beschlagnahmung der Waffe oder für die Rückgängigmachung der Waffenlizenz.
- Es ist ganz klar, daß man, was diese Punkte angeht, die Angelegenheit durchgehen wird und daß man darauf schaut, ob irgendetwas gefunden werden kann, wo man möglicherweise anders hätte handeln sollen, sagte Holmlund bei einer Informationsgelegenheit in Helsinki am Dienstag.
Holmlund versprach, nähere Angaben dazu schon in den nächsten Tagen machen zu können. Die Ministerin ist nicht gewillt, abzuwägen, ob es dazu kommen könnte, daß sie die politische Verantwortung auf sich zu nehmen hätte, indem sie von ihrem Posten abtritt. Holmlund beschied einem Reporter von Radio Yle, der sie dazu befragte, daß eine solche Forderung bislang nicht vorgetragen worden wäre.
Ein erfahrener Kommissar der Verbrechensaufklärung hatte den Mann ins Verhör gezogen, da dieser im Internet ein Video mit Schießszenen eingestellt hatte. Die Polizei erfuhr am letzten Freitag von dem Video, konnte den Mann aber dann nicht erreichen.
Der Schütze wurde bald von einem YouTube-Video her identifiziert
Kaum waren die ersten Nachrichten über die Schießerei von Kauhajoki an die Öffentlichkeit gedrungen, wurde auch schon auf den Diskussionsforen des Internets abgeschätzt, wer der Schütze sein könnte.
Unter anderem war man auf den Diskussionsforen von MuroBBS und von Murha.info [murha (finn.) = Mord] schnell auf den User mit dem Namen Wumpscut86 gekommen, der in seinem Profil beim Videodienst YouTube Kauhajoki als seinen Heimatort und 22 Jahre als sein Alter angab. Als Name stand im Profil Mr. Saari. Auf den Spalten von MuroBBS wurde das erste Mal auf die
Videos von Wumpscut86 um 11.24 Uhr und auf Murha.info um 11.31 hingewiesen.
Bald danach erschien auf den Spalten ein Link, der zu einem Informationspaket mit Namen 'Massacre in Kauhajoki' führte, den der Schütze offensichtlich ins Internet eingestellt hatte. In dem Info sind einige Videos zu sehen, in denen der Mann mit der Pistole herumschießt, und Bilder, auf denen der Mann mit der Waffe posiert.
Oben drauf als Kopf steht in dem Video der Name Matti Saari. Der in dem Informationspaket auftretende Mann ist der gleiche wie der in den Videos unter dem Namenszeichen Wumpscut86.
Die Behörden bestätigten am Dienstag um ca. 15.30 Uhr, daß der 22jährige Matti Juhani Saari verdächtigt wird, der Schütze zu sein.
Videos mit bedrohlichen Schießereien
In den Videos ballert Saari zum größten Teil mit einer Pistole auf der Schießbahn herum. Zwei von den Videos lassen jedoch schlimmeres ahnen. In dem einen schießt der Mann zunächst etliche Schüsse ab, dreht sich dann der Kamera zu, sagt: "Good-bye" und bewegt sich daraufhin von der Kamera weg. In dem anderen sagt er in die offensichtlich auf dem Boden aufgestellte Kamera: "you will die next" und feuert Schüsse in Richtung Kamera ab.
Fast alle in Verbindung mit Saari stehenden Internet-Inhalte haben mit dem Schießen und mit Waffen zu tun. Er gibt im Profil bei YouTube als seine Interessensgebiete Computer, Waffen, Bier und Sex an. Auf den Diskussionsspalten wurden schnell auch die Angaben kopiert, die der Mann auf der Seite von Suomi24.fi zurückgelassen hatte. In diesen Angaben dort berichtet der Mann unter anderem davon, daß er Student sei, alleine wohne und eine Katze als Haustier halte. Auch dort gibt er an, daß das Schießen sein Hobby sei.
Das YouTube-Account mit dem Namenszeichen Wumpscut86 wurde am Dienstag ungefähr um 13 Uhr dann geschlossen. Das Account für die IRC-Gallerie war vorher bereits geschlossen worden. Das Namenszeichen Wumpscut86 hatte sein letztes Video offensichtlich am letzten Donnerstag eingestellt. Eingeloggt wurde in das Account zum letzten Mal am Dienstag morgen[, also unmittelbar vor der Tat].
Die Polizei untersucht die Schieß-Videos sehr genau, denn bei einem Teil davon ist es klar, daß jemand mit dabei gewesen war, der die Aufnahmen gemacht hat.
Holmlund erinnerte daran, daß es im Internet eine große Anzahl Videos gäbe. Es sei im vorhinein schwer zu wissen, wann ein Täter es ernst meine.
- Diese besonders bedauernswerte Tragödie zeigt uns, daß wir Mittel und Wege finden müssen, wie wir in die Lage kommen können, auch eine derartig große Datenmenge möglichst genau mitzuverfolgen und einzuschätzen.
Laut der obersten Führungsperson der Polizei [Finnlands] Mikko Paatero ist zur Zeit nicht bekannt, welche Erwägungen der Polizist angestellt hatte, als der verdächtigte Schütze von Kauhajoki von ihm verhört wurde. Laut Paatero konnte der Polizist, der den verdächtigten Schützen von Kauhajoki verhört hatte, noch bis 15 Uhr nicht erreicht werden.
Zur Presseinformation am Dienstag abend in Kauhajoki wurde der Schütze nur mit knappen Worten umschrieben. Matti Juhani Saari hatte im letzten Sommer zu Hobby-Zwecken auf ein Jahr befristet die Erlaubnis zum Tragen einer Waffe erhalten. Wegen der Erteilung der Lizenz war er von dem gleichen Polizisten angehört worden, der ihn nun auch am Montag wegen den Videos auf YouTube zur Rede gestellt hatte.
Der Schütze erlag seinen Wunden
Der nach Tampere verbrachte Schütze von Kauhajoki Matti Juhani Saari verstarb um 16.46 Uhr im Krankenhaus. Er war in das Krankenhaus der Universität Tampere um ca. 14.30 gebracht worden. Der Mann hatte eine Schußwunde im Kopf. Laut dem leitenden Oberarzt Matti Lehto hatte der Mann eine so massive und schwierige Gehirnwunde, daß eine Operationsbehandlung unmöglich war.
Eine bei dem Schießzwischenfall von Kauhajoki im Kopf verwundete junge Frau ist noch in Behandlung in der Universitätsklinik. Die 21jährige Frau wurde am Nachmittag nach Tampere gebracht. Laut Angaben des Krankenhauses sei die Lage der Patientin stabil und sie stünde nicht in unmittelbarer Lebensgefahr.
Zunächst war vermutet worden, die Frau hätte Splitterwunden abbekommen. Später stellte es sich heraus, daß auch sie eine Schußwunde hatte.
Noch kein einziges der Opfer identifiziert
Die ersten Opfer des Schießzwischenfalls von Kauhajoki dürften morgen identifiziert sein. Ein Teil der Opfer ist schwer verbrannt.
Vor Ort ist der Erkennungsdienst der Zentralen Kriminalpolizei [Finnlands] eingetroffen.
Laut der Zeitung Abend-Nachrichten ist eines der Opfer ein Lehrer und die anderen neun sind Schüler.
Die Polizei hat Informationen zu den Todesopfern nicht verifiziert und erklärt, daß sie erst morgen über das Blutbad und dessen Opfer näheres berichten wird.
Keine Sprengkörper in der Schule gefunden
Es wurden im Schulgebäude, nach der Tat des Schützen, soweit keine Sprengkörper gefunden, hieß es bei der Polizei.
Nach in der Öffentlichkeit zirkulierten Informationen sei der Schütze mit einem schwarzen Plastikbeutel in die Lehranstalt gekommen und er hätte sogar damit gedroht, die gesamte Schule in die Luft gehen zu lassen.
Die Polizei hält es für möglich, daß sich in dem Plastikbeutel zum Beispiel Molotow-Cocktails oder Brandflaschen befanden, die der Schütze ansteckte und womit er warf. Es sind vor Ort etliche, darauf hinweisende Brandherde entdeckt worden.
Das Wohnhaus wurde umstellt
Die Polizei umstellte am Nachmittag das Wohnhaus des verdächtigten Schützen von Kauhajoki, berichtet die Morgenzeitung [Aamulehti].
Der Schütze war im Wohnheim der Schule untergebracht, in ein paar hundert Metern Entfernung zur Berufslehranstalt, wo sich die Schießerei zutrug.
Zwei SMS-Nachrichten wurden gefunden
Die Polizei fand am Dienstag abend aus dem Besitz des Killers zwei Textnachrichten, in denen der Killer wissen läßt, daß er diese Gesellschaft haßt und daß er die Tat seit dem Jahr 2002 geplant habe.
Der Mann studierte Restaurationsfachmann für Dienstleistungen in der Ernährungs- und Reisebranche. Offensichtlich kannte der Jugendliche seine Opfer, die wahrscheinlich Schüler des zweiten Jahreskurses der Berufsfachschule waren und an einer Prüfung teilnahmen.
Die Polizei beschrieb den Mann als in schwarze Kleider gekleidet und als von schwarzem Haar. Er stammte aus der südfinnischen Region Nördlich-Ostbottniens, lebte aber wegen seines Studiums in Kauhajoki.
Laut der Basisdienste-Ministerin Paula Risikko ist es der Regierung nicht bekannt, ob der als der Schütze Verdächtigte Probleme mit der geistigen Gesundheit oder anderer Natur hatte. Hilfe hätte sich angeboten, denn im Dienst der Lehranstalt befand sich ausnahmsweise ein eigener Psychologe.
Die Einheit der Berufsfachhochschule von Seinäjoki befindet sich zusammen mit der haus- und institutswirtschaftlichen Lehranstalt von Kauhajoki im gleichen Gebäude.
Der Schulrektor war vor Ort, als die Schießerei begann
Der Rektor der Schule Varmola befand sich selbst vor Ort, als die Schießerei begann. Er hielt zu dem Zeitpunkt im obersten Stockwerk des dreigeschößigen Hauses eine Unterredung mit dem Personal, als die Nachricht von der Schießerei durchdrang. Er konnte sich in wenigen Minuten aus dem Haus entfernen.
- Menschen liefen in höchster Eile in zwei verschiedene Richtungen aus dem Haus. Als ich mich davonmachte, hörte ich keinen einzigen Schuß, sondern nur das Geschrei der Menschen, berichtete Varmola.
Varmola betont, daß die ganze Belegschaft der Lehranstalt zutiefst erschüttert sei aufgrund der tragischen Ereignisse.
- Als wir um ungefähr 13 Uhr erfuhren, daß es auch Tote unter den Opfern gibt, war das ein gewaltiger Schock.
Die Evakuierung der Schüler vollzog sich rasch
Nach dem Schießzwischenfall von Kauhajoki wurden die Schüler der Schule in eine nahegelegene Handelsschule evakuiert. Eine Frau aus Kauhajoki, die als Erwachsenenschülerin an der Schule ist, berichtet, daß die Lehrerschaft der Schule schnell entschlossen handelte.
Über Funk wurde ein Evakuierungsbefehl ausgegeben und die Lehrer leiteten die Schüler hinaus ins Freie. Die Polizei war in dieser Phase bereits im Schulhof gestanden.
In der Handelsschule wurde den Schülern eine Krisenhilfe angeboten.
Ein Feuerbrand erschwerte die genaue Einschätzung der Vorgänge an der Schule. Die Informationsmedien wurden nicht bis in die Lehranstalt vorgelassen, auch nicht einmal bis in deren Nähe.
Die Schule befindet sich in der Ortsmitte von Kauhajoki, einem Städtchen mit 14'500 Einwohnern.