Wie lange soll das mit dieser Geld-Ungerechtigkeit in der Welt noch so weitergehen, wo es doch ganz in der Hand der Menschen selbst liegt, alles, aber auch wirklich alles, ganz anders zu gestalten - eine Welt so ganz ohne Geld !?!
Wenn das Geld nicht ausreicht
(ein Artikel aus dem Sonntags-Special vom 19.8.2007 der südfinnischen Zeitung Turun Sanomat, übersetzt aus dem Finnischen)
Es besteht die falsche Vorstellung, daß es in Finnland keine Armen gäbe, schreibt Dozent Ilkka Taipale in seinem Vorwort zum Buch Erfahrungen mit der Armut im Alltag, für das er eine Ansammlung von Aufsätzen, die von Armut berichten, zusammengetragen hat.
Die Armutsgrenze beläuft sich in Finnland auf 700-750 Euro im Monat. Es gibt dort 600'000 Menschen, die unterhalb davon leben. Ein Viertel von diesen hat monatlich weniger als €500. Damit kommt man nicht zuschuß.
Wie können diese damit auskommen?
Klopapier zu haben, wenn auch vom billigsten; wie schön es doch ist, auf den Topf zu gehen und seine Notdurft zu verrichten, und einen Stoß sauberes, feinporiges Klopapier in seine Hand ziehen und die Stellen sauber wischen zu können... ein großartig herrliches Gefühl, das sagt: "Ich besitze Klopapier!"
Seija, 46
Es gibt verschiedenerlei Methoden. Ein Mal zum Beispiel ging ich zu einem Stelldichein hin, da der Mann versprochen hatte, mich auf ein Essen einzuladen. Ich war auch auf Gratis-Veranstaltungen, wo Zeugs verteilt wurde, das ich später im Second-Hand-Laden verscheuern konnte. Einmal nahm ich an einer Vorführung für Urlaubsreisen teil, da, wenn man da hinging, als Belohnung ein Geschenkkärtchen winkte.
Frau, 35
Vor kurzem erst wurde unsere Arbeit und das Unternehmen zu Grabe getragen. Wir hatten in der Angelegenheit nichts zu melden gehabt. Es passierte einfach, wie in einem Albtraum. Keiner wurde angehört. Die Zinsen waren bis zum Himmel hochgeschraubt worden und der Werteverfall hat uns alle über Nacht gleich einer vernichtenden Sturzwelle mit fortgerissen. Das spülte uns mit einem Schlag übel unter die Null-Grenze und stellte uns einem Schuldenregulierungsplan anheim, der über fünf Jahre läuft. Die, die hätten helfen können, sowie der Krisenbeistand schwiegen sich aus.
Brummeise, 61
Armut hat etwas erniedrigendes an sich, was ich zu spüren bekomme, wenn ich den dritten Sommer schon in den gleichen Kleidern zum Sippschaftsfest gehe, wenn ich bei meiner Arbeit auch gerade mal eine einzige Kleiderausstaffierung im Gebrauch habe, wenn ich die Kinder in durchgewetzten Hosen zur Schule schicken muß. Frustierend ist es, daß das Kind keine gescheiten Ski hat und die Sohle von den alten Skischuhen gleich am ersten Ski-Fahrt-Tag durchbricht.
Maija Varjo, 42
Vor ein paar Jahren bekam ich einen Fernseher geschenkt. Damit stellte sich die Furcht vor den Fernsehgebühren ein. Telefonanrufe mache ich nur, wenn es unbedingt notwendig ist. Lebensmittel kaufe ich mir von den Sonderangeboten in den Läden. Ans Essen stelle ich keine Ansprüche, jedoch wirkt sich meine Lebensmittelallergie nachteilig auf meinen Geldhaushalt aus. Einmal in der Woche lege ich einen Müsli-Tag ein, an zwei Tagen esse ich Linseneintopf, an zwei weiteren gemischte Suppen. Das weitere deichsle ich mir irgendwie zurecht. Augenarzt, Hautarzt, Gynäkologe, eine neue Matratze, Reparaturarbeiten am Haus, Geschenke, Gymnastiksaal, das alles sind Dinge, die nicht mehr drin sind.
Nach Art der Welt lebend, 59
Am meisten leide ich unter der Mittellosigkeit deswegen, da so und so viele Menschen mich beleidigend behandeln. Und das nur deshalb, weil ich der sogenannten unteren Gesellschaftsschicht angehöre.
Ein Herzen in der Dunkelheit, 22
Ungefähr ein Jahr, nachdem ich arbeitslos geworden war, wurde die Wohnungsbehilfe meinem ehemaligen Verdienst angeglichen. Schnell hatte ich auch herausgefunden, wie man auf dem Sozialamt eine Unterstützung beantragt. Trotzalledem lebten wir die ganze Woche über von einem Großmütterchen-Taschengeld von 50 Finnmark. Suppe mit Würstchen und deren Tunke war die meiste Zeit auf unserm Speiseplan, beides aus einer Dose HK angefertigt, der blauen. Aus dem, was von den Müsli übriggeblieben war, backte ich Semmel, und die Krümel vom Sauerteig-Brot verkochte ich zu einem Roggenmehlbrei, aufgemischt mit Beeren. Es ist etwa wahres dran, daß Armut einen dick macht, da die billigsten Lebensmittel reichlich Kohlenhydrate und auch Fett enthalten. Es tat einem leid, wenn das Kind im Winter bei Frost im leichten Overall und in zerschlissenen Turnschuhen zur Schule ging.
Der Fluch der Generationen, 61
Mein Bankkonto weist ein Plus von 18 Euro aus, das jüngere unserer Kinder hat von der Kindeszulage her noch 65 Euro stehen für den Kauf von Schuhen und Kleidern, und unser Gymnasiast, dessen Kinderzulage im März auslief, hat 17 Euro auf seinem Konto stehen. Meine Arbeitslosenunterstützung von der Kasse ist um eine Woche verspätet. Die Nummer des Diensthabenden gibt nicht an. Das Geld für Essen, auf das ich wartete, ist bis zum Wochenende noch nicht eingetroffen. Eines der Kinder fährt im Bus zu einem Vetter, wo es ein paar Tage von den Sommerferien verbringen darf. Unsern Teenie versuche ich bei meinem Bruder unterzubringen, wo er mit gleicher Fahrgelegenheit zu seiner Arbeit auf dem Land, wo er das Gras mäht, mitkommen kann. Die Gemeinde gibt von ihrem Hungerhilfeprojekt einige von den harten Keksen ab. Wenn man diese im Tee aufweicht, bleibt auch jemand mit schlechten Zähnen am Leben. Wenn die Kinder nicht zuhause sind, reicht das aus. Nur bei einer Rechnung ist es zum Fälligkeitsstichtag gekommen. Bin ich also gut ausgekommen?
Ein Gefallener, 50
Das Recycling funktioniert hier in der Gegend, wo wir wohnen, sehr effizient. Wenn jemand, der fortzieht, zum Beispiel irgend ein Stück Möbel aussetzt, schauen wir es genau an, so wie das auch die Nachbarn tun, ob jener Stuhl oder jenes Sofa oder Regal für uns einen Nutzen brächte. Und wie verwöhnen wir uns gegenseitig? Indem, wir zusammenhalten und uns aneinander schmiegen.
Marko From, 39
(ein Artikel aus dem Sonntags-Special vom 19.8.2007 der südfinnischen Zeitung Turun Sanomat, übersetzt aus dem Finnischen)
Es besteht die falsche Vorstellung, daß es in Finnland keine Armen gäbe, schreibt Dozent Ilkka Taipale in seinem Vorwort zum Buch Erfahrungen mit der Armut im Alltag, für das er eine Ansammlung von Aufsätzen, die von Armut berichten, zusammengetragen hat.
Die Armutsgrenze beläuft sich in Finnland auf 700-750 Euro im Monat. Es gibt dort 600'000 Menschen, die unterhalb davon leben. Ein Viertel von diesen hat monatlich weniger als €500. Damit kommt man nicht zuschuß.
Wie können diese damit auskommen?
Klopapier zu haben, wenn auch vom billigsten; wie schön es doch ist, auf den Topf zu gehen und seine Notdurft zu verrichten, und einen Stoß sauberes, feinporiges Klopapier in seine Hand ziehen und die Stellen sauber wischen zu können... ein großartig herrliches Gefühl, das sagt: "Ich besitze Klopapier!"
Seija, 46
Es gibt verschiedenerlei Methoden. Ein Mal zum Beispiel ging ich zu einem Stelldichein hin, da der Mann versprochen hatte, mich auf ein Essen einzuladen. Ich war auch auf Gratis-Veranstaltungen, wo Zeugs verteilt wurde, das ich später im Second-Hand-Laden verscheuern konnte. Einmal nahm ich an einer Vorführung für Urlaubsreisen teil, da, wenn man da hinging, als Belohnung ein Geschenkkärtchen winkte.
Frau, 35
Vor kurzem erst wurde unsere Arbeit und das Unternehmen zu Grabe getragen. Wir hatten in der Angelegenheit nichts zu melden gehabt. Es passierte einfach, wie in einem Albtraum. Keiner wurde angehört. Die Zinsen waren bis zum Himmel hochgeschraubt worden und der Werteverfall hat uns alle über Nacht gleich einer vernichtenden Sturzwelle mit fortgerissen. Das spülte uns mit einem Schlag übel unter die Null-Grenze und stellte uns einem Schuldenregulierungsplan anheim, der über fünf Jahre läuft. Die, die hätten helfen können, sowie der Krisenbeistand schwiegen sich aus.
Brummeise, 61
Armut hat etwas erniedrigendes an sich, was ich zu spüren bekomme, wenn ich den dritten Sommer schon in den gleichen Kleidern zum Sippschaftsfest gehe, wenn ich bei meiner Arbeit auch gerade mal eine einzige Kleiderausstaffierung im Gebrauch habe, wenn ich die Kinder in durchgewetzten Hosen zur Schule schicken muß. Frustierend ist es, daß das Kind keine gescheiten Ski hat und die Sohle von den alten Skischuhen gleich am ersten Ski-Fahrt-Tag durchbricht.
Maija Varjo, 42
Vor ein paar Jahren bekam ich einen Fernseher geschenkt. Damit stellte sich die Furcht vor den Fernsehgebühren ein. Telefonanrufe mache ich nur, wenn es unbedingt notwendig ist. Lebensmittel kaufe ich mir von den Sonderangeboten in den Läden. Ans Essen stelle ich keine Ansprüche, jedoch wirkt sich meine Lebensmittelallergie nachteilig auf meinen Geldhaushalt aus. Einmal in der Woche lege ich einen Müsli-Tag ein, an zwei Tagen esse ich Linseneintopf, an zwei weiteren gemischte Suppen. Das weitere deichsle ich mir irgendwie zurecht. Augenarzt, Hautarzt, Gynäkologe, eine neue Matratze, Reparaturarbeiten am Haus, Geschenke, Gymnastiksaal, das alles sind Dinge, die nicht mehr drin sind.
Nach Art der Welt lebend, 59
Am meisten leide ich unter der Mittellosigkeit deswegen, da so und so viele Menschen mich beleidigend behandeln. Und das nur deshalb, weil ich der sogenannten unteren Gesellschaftsschicht angehöre.
Ein Herzen in der Dunkelheit, 22
Ungefähr ein Jahr, nachdem ich arbeitslos geworden war, wurde die Wohnungsbehilfe meinem ehemaligen Verdienst angeglichen. Schnell hatte ich auch herausgefunden, wie man auf dem Sozialamt eine Unterstützung beantragt. Trotzalledem lebten wir die ganze Woche über von einem Großmütterchen-Taschengeld von 50 Finnmark. Suppe mit Würstchen und deren Tunke war die meiste Zeit auf unserm Speiseplan, beides aus einer Dose HK angefertigt, der blauen. Aus dem, was von den Müsli übriggeblieben war, backte ich Semmel, und die Krümel vom Sauerteig-Brot verkochte ich zu einem Roggenmehlbrei, aufgemischt mit Beeren. Es ist etwa wahres dran, daß Armut einen dick macht, da die billigsten Lebensmittel reichlich Kohlenhydrate und auch Fett enthalten. Es tat einem leid, wenn das Kind im Winter bei Frost im leichten Overall und in zerschlissenen Turnschuhen zur Schule ging.
Der Fluch der Generationen, 61
Mein Bankkonto weist ein Plus von 18 Euro aus, das jüngere unserer Kinder hat von der Kindeszulage her noch 65 Euro stehen für den Kauf von Schuhen und Kleidern, und unser Gymnasiast, dessen Kinderzulage im März auslief, hat 17 Euro auf seinem Konto stehen. Meine Arbeitslosenunterstützung von der Kasse ist um eine Woche verspätet. Die Nummer des Diensthabenden gibt nicht an. Das Geld für Essen, auf das ich wartete, ist bis zum Wochenende noch nicht eingetroffen. Eines der Kinder fährt im Bus zu einem Vetter, wo es ein paar Tage von den Sommerferien verbringen darf. Unsern Teenie versuche ich bei meinem Bruder unterzubringen, wo er mit gleicher Fahrgelegenheit zu seiner Arbeit auf dem Land, wo er das Gras mäht, mitkommen kann. Die Gemeinde gibt von ihrem Hungerhilfeprojekt einige von den harten Keksen ab. Wenn man diese im Tee aufweicht, bleibt auch jemand mit schlechten Zähnen am Leben. Wenn die Kinder nicht zuhause sind, reicht das aus. Nur bei einer Rechnung ist es zum Fälligkeitsstichtag gekommen. Bin ich also gut ausgekommen?
Ein Gefallener, 50
Das Recycling funktioniert hier in der Gegend, wo wir wohnen, sehr effizient. Wenn jemand, der fortzieht, zum Beispiel irgend ein Stück Möbel aussetzt, schauen wir es genau an, so wie das auch die Nachbarn tun, ob jener Stuhl oder jenes Sofa oder Regal für uns einen Nutzen brächte. Und wie verwöhnen wir uns gegenseitig? Indem, wir zusammenhalten und uns aneinander schmiegen.
Marko From, 39
libidopter - 19. Aug, 21:52