Wollen wir uns die im folgenden vorgestellte Variante gefallen lassen, oder wären wir nicht doch besser beraten, anstelle davon das Geld einfach von allem Wirtschaften auszusperren?
Armut mit Stil
Ein Leben in Saus und Braus ist außer der Tatsache, daß es anstrengend und langweilig ist, auch aus der Mode gekommen.
Außerdem müssen wir uns ohnehin, wenn Wirtschafts- und Umweltprognosen Glauben zu schenken ist, früher oder später nach der Decke strecken.
Am besten also, rechtzeitig zu lernen, wie mit Stil ärmlich gelebt werden kann.
Armut ist nicht nur Mangel an Geld. Keiner ist so arm wie der Reiche, dem ein gewisses Lebenskünstlertum abgeht, argumentiert ein arbeitsloser deutscher Graf
Alexander von Schönburg, ein Autodidakt in der Kunst des ärmlichen Lebens mit Stil, der es in dieser Disziplin zu einem wahren Meister gebracht hat.
Der Familien-Clan des in Berlin wohnenden Grafen verfügt über eine solide Erfahrung von vier hundert Jahren des sozialen und wirtschaftlichen Abstiegs. Der Clan, der im 10. Jahrhundert von Schloß Schönburg aus den gesamten südwestlichen Raum von Deutschland zu beherrschen sich ausgebreitet hatte, sah sich in der mißlichen Lage, vom 16. Jahrhundert ab ihre Ansprüche auf Gebiete und Besitzstände nach und nach abzugeben.
Zu Beginn der 1960er Jahre vertrieb die kommunistische Staatsgewalt Ost-Deutschlands den Clan zu guter letzt aus deren Schlössern.
Alexanders Vater konnte, als er als 16-jähriger aus dem Land floh, nur noch das Geweih eines kleinen Steinbockes retten, welches er auf seiner ersten Jagd von seinem Vater ausgehändigt bekommen hatte.
Seine Mutter, auch sie fürstlichen Geschlechts, floh aus Ungarn auf österreichisches Territorium schwimmend, ohne sonst etwas anderes mit sich geführt zu haben als die Blutegel, die sich im See an der nackten Haut angeheftet hatten. Der Vater ernährte seine Familie im Westen als Radiomoderator, und auch der Sohn wurde ein Moderator.
Die Rezension der 2000er Jahre brachte Entlassung und Arbeitslosigkeit mit sich.
Nachdem er zuerst fast am Durchdrehen war, kam es in dem Grafen zu einem Aha-Erlebnis: Ist er nicht doch ein Experte in der 15. Generation für Verarmung?!
Weshalb sollte man nicht auch trotz Verarmung anständig leben können?
In seinem Buch 'Die Kunst des stilvollen In-Ärmlichen-Verhältnissen-Lebens' stellt er Begründungen dafür auf, daß erst Armut wahren Reichtum darstellt.
Saure Vogelbeeren? Gewiß - aber in den Ausführungen des verschuldeten Grafen schwingt ein gesunder Menschenverstand mit.
Wohlstand steht allzu oft mit Geizhaftigkeit, Angeberei und übersensiblem Getue in Verbindung. Geld macht die meisten Menschen forderungenstellend, quenglerisch und komplexbeladen. Solches verringert den Wert des Lebens.
Ein mit Stil arm Lebender ist reicher als ein Banause mit einem großen Haufen Geld, vernünftelt von Schönburg.
Durch Tierversuche ist bewiesen worden, daß eine hoffnungsvolle Erwartung glücklicher macht als ein Erreichen des Erhofften.
In einem Affenkäfig war eine Lampe aufgestellt, die immer kurz davor, bevor den Affen Apfelstücke gereicht wurden, anging. Jedesmal, wenn die Lampe aufleuchtete, begannen die Gehirne der Affen das als Dopamin bekannte Glücklichkeitshormon zu produzieren. Waren die Apfelstücke dann aber in Erscheinung getreten, kam es zu keinem neuen Dopamin-Rush mehr.
Als die Äpfel mit Rosinen ausgetauscht wurden, nahm die Ausschüttung von Dopamin zu. Als anstelle von Rosinen wieder Äpfel ausgegeben wurden, begann das Einschalten der Lampe für die Affen eine Enttäuschung zu markieren, und es kam zu einer geringeren Ausschüttung von Dopamin als je davor.
Je großer die Dinge sind, die wir gewohnt sind, zu erwarten, desto wahrscheinlicher es sein wird, daß wir uns enttäuscht fühlen. Die Erwartung in sich selber stellt zufrieden, nicht das Erhalten.
Pathetisches Einkaufen verursache letztendlich ein Gefühl der Frustration. Gemäß von von Schönburg vollzieht sich ein Einkaufsbummel am glücklichmachendsten, wenn man es vermieden hat, nutzloses Zeug einzukaufen.
Weshalb bringt es die Marktwirtschaft fertig, uns von der Unabdingbarkeit von Waren zu überzeugen, obwohl diese eigentlich nur auf einem Durchmarsch sind? fragt von Schönburg, und antwortet:
Die Waren stellen die vor dem Konsumenten-Esel aufzuhängenden Möhren vor, womit jener zu ködern ist. Das Glücklich-Sein, wofür diese stehen, wird nie erreicht.
Die Reklame-Macher verkaufen die "Einzigartigkeit". Mit dem überzogenen Preis dieser Waren ersteht man sich das Gefühl, daß man zu den Elite-Menschen gehört.
Deshalb mußt du eine Louis Vuitton Tasche haben, und nicht weil sie schön ist. Echte Stilhaftigkeit sei aber nicht auf Markenprodukte aufgebaut.
Der Schreiber erzählt bewundernd von seiner Schwiegermutter, die in ein Markengeschäft von Cartier ging, um das Armband einer am Strand erstandenen Cartier verkürzen zu lassen.
- Gute Frau, Ihre Uhr ist ein Falsifikat, bemerkte der Verkäufer sachte. - Ich weiß, gab die Schwiegermutter wie beiläufig zurück, und ihr stilvoll gestyltes Lächeln war nicht aus der Fassung zu bringen gewesen.
Besitztum mache selten glücklich, begründet von Schönburg.
Ein gewisses, ihm bekanntes Ehepaar schaffte sich für deren Pensionärs-Tage auf Saint Tropez eine stattliche Villa an, die einen panoramischen Ausblick aufs Meer bietet. In dessen Vorhalle steht eine Skulptur von Giacometti, in ihrem Speisezimmer hängt ein Renoir, im Wohnzimmer ein Picasso.
Die Versicherungsgesellschaft erklärte sich bereit, deren Heim zu versichern - jedoch zu einer Bedingung: die Villa müsse stets bewacht sein und es müsse immer eines der beiden zuhause sein.
Das Paar kommt nirgendwohin zusammen weg, und sie mußten sich auch daran gewöhnen, daß alle halbe Stunde von ihrem Panorama-Fenster draußen ein bärtiger Wächter hereinblickt, um sicherzustellen, daß alles in Ordnung ist.
(aus der aktuellen Sonntagsbeilage einer beliebten finnischen Zeitung, übersetzt ins Deutsche)
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libidopter - 20. Mai, 01:45