Zur Einstimmung auf die Zeit um den Bürgerkrieg herum brauchte es kalte Haftzellen, Kakerlaken und Autos ohne Verdeck
Der Befehl drehte die Zeit auf das Jahr 1918 zurück
(ein Bericht aus der Sparte Kultur der TS vom 16. Mai 2007, übersetzt
aus dem Finnischen)
- Wo ist hier nur die vielbeschworene Stille der äußeren Inseln (im
Meeresabschnitt der Ostsee vor Turku im Süden Finnlands)?! ruft
Filmregisseur Aku Louhimies auf dem Terrain des Naturschutzgebiets von Lenholm im
Bezirk Parainen, als ein von weit her hörbares Getöse auf der
Landstraße eine Pause in den Aufnahmen für den im Frühjahr von 1918 spielendem
Der Befehl verursacht.
An den Gestaden des Meers hat sich eine Produktionsgruppe von zehn
Seelen aufgestellt. Samuli Vauramo schreitet als Feldjäger Aaro Harjula mit
einem Rucksack auf dem Rücken und einem russischen Soldatengewehr des
Jahres 1891 auf der Schulter auf der Wiese entlang.
Der Schauspieler ist in seine Rolle sogar nachts vertieft.
- Ich habe während den Aufnahmen ein asketisches Leben geführt, indem
ich in einem Halbe-Mannschaft-Gemeinschaftszelt der Armee an den Ufern
des Zweifachsees gehaust und morgens im kalten See gebadet habe, erzählt
Vauramo.
Zu Beginn der Anfang April gestarteten Aufnahmen war das Nachtlager
überraschend kalt, so sehr, daß am Morgen beim Erwachen einem der Atem
dampfte.
Begegnungen im Schilf
Der auf einen Roman von Leena Lander zurückgehende Film Der Befehl
trägt sich in der Zeit zu, als der finnische Bürgerkrieg zu seinem Ende
gekommen war und Tausende von Rotgardisten entweder auf den Beschluß eines
Feldgerichts hin oder auch ohne eines solchen hingerichtet wurden. Das
Drehbuch für den Film hat ein gewisser Jari Rantola auf der Grundlage
des Buches von Leena Lander geschrieben.
In der Geschichte macht sich der Feldjäger Harjula daran, die
Rotgardistin Miina Malin rudernd dem Standgericht von Ruukkijoki zu überbringen,
welchem der Feldrichter Emil Hallenberg (Eero Aho) vorsitzt.
- Harjula ist aus ideologischen Gründen nach Deutschland zur Schulung
gegangen, und war, als er zurückkehrte, enttäuscht, als er sich in die
Lage versetzt sah, gegen die eigenen Landsleute kämpfen zu müssen. Er
ist etwas kriegsmüde, und sieht nicht, wofür man kämpfen soll. Seiner
Meinung nach ist der Krieg willkürlich angezettelt und erinnert mehr an
Terror als an eine Kriegsführung, wie es Vauramo beschreibt.
Der Feldjäger macht sich auf den Weg, die Frau namens Miina zu
überstellen, da er einen Befehl ausführen will, laut dem Gefangengenommene
einem Gericht zuzuführen sind.
Der zuletzt im Film 'Mädchen, du bist ein Star' in Turku mit von der
Partie gewesene Vauramo hebt als einen Spitzenmoment der Aufnahmen eine
Verfolgungsszene hervor, die im Schilf aufgenommen wurde. Die scharfen,
abgestorbenen Schilfgräser brachten den Füssen Schnittwunden bei.
- So lange man im Schilf lief und herumknirschte, fiel einem gar nichts
auf. Das Adrenalin war verströmt, und man fühlte keinen Schmerz. Das
war überwältigend.
Schauspielerin saß in der Zelle
Als die Abschnitte mit dem Feldjäger gedreht werden, stellt die die
Miina spielende Pihla Viitala zunächst ein Klubmädchen dar. Danach fängt
sie damit an, sich für ihre nächste Aufnahme umzukleiden und fertig zu
maskieren.
- Zwischendurch ist es echt richtig kalt geworden. Und ich bin viel
gelaufen, bemerkt Viitala zu den Aufnahmen.
Die Miina im Film Der Befehl ist die erste Filmrolle für Viitala.
- Das ganze kann einen physisch und geistig schon schwer hernehmen, da
das Thema auch nicht gerade vom leichtesten Kaliber ist.
Miina ist gemäß Viitala eine willensstarke, intelligente Frau mit einem
Sinn für Gerechtigkeit.
Die Schauspielerin erzählt, daß sie viel Zeit in einer Zelle in
Brinkhall verbracht hat und sich auch mit den Kakerlaken anfreunden mußte.
Auf den Feldern von Parainen ist man jedoch im Schoß der Natur und als
nächstes werden die Lauf-Geräusche von Miina im Feld aufgenommen.
- Fester, fester, spornt sie der Filmregisseur an, als Viitala mit
einem schweren Mantel über den Schultern und großen Stiefeln an den Füßen
im Kreis herumläuft.
Hinterher wird der Schauspielerin Schweiß obendrauf gespritzt, denn als
nächstes ist eine Szene dran, bei der Miina hinter einem Auto
hinterherrennt.
Epochales in der Kälte
Der Film aus der Zeit des Bürgerkriegs in Finnland ist der erste
geschichtsdramatische Film des aufstrebenden finnischen Filmemachers Aku
Louhimies.
- Die Aufnahmen haben ziemliche Anforderungen an die Schauspieler
gestellt, es mußte im kalten Wasser geschwommen werden, man hatte vor
Pferden herzurennen, es gab kalte Haftzellen, Kakerlaken und Regengüsse.
Als das Standgericht von Ruukkijoki hat das Landadels-Haus von
Brinkhall im Bezirk Zweifach gedient.
Alte ländliche Gebiete und
Landschaften der äußeren Schäreninseln
wurden außer in Parainen auch in den Bezirken Kustavi (Gustäfsflur), Vehmaa
(Blühendland), Nauvo gefunden.
- Wir mußten urwüchsige Naturwälder und Felder ohne verdeckte
Bewässerungsgräben finden, sowie Hinterhofsbereiche und Szenerien, wie sie vor
90 Jahren hätten sein können. Es war nicht ganz einfach, unberührte
Gebiete auszumachen, denn auch die äußeren, im Meer gelegenen inseln sind
übersät mit Gebäuden und See-Hinweisschildern, erzählt Louhimies.
Chauffeur ohne Brille
Neben Louhimies ist ein ungefähr 35-köpfiges Aufnahmeteam für den Film
schwer am Schuften, außer den Schauspielern und den Gehilfen.
- Obwohl der Film im Jahre 1918 spielt, herrscht eine ziemlich
konzentrierte Stimmung, und wir hatten auch keine ganz kopflosen Gruppen
beisammen, sagt der Regisseur.
Von örtlichen Schauspielern sind unter anderen mit dabei ein Mikko
Kauki, der einen Feldwebel spielt, Miska Kaukonen in der Rolle eines
Weißgardisten, Kimmo Rasila als ein Wächter in Ruukkijoki sowie Riitta
Salminen als eine Bäuerin. Gehilfen haben die Soldaten vom roten und vom
weißen Lager gespielt, sowie auch die Bauernmägde und -knechte.
Außerdem sind für den Film Pferde, Schafe und Kühe, sowie Kakerlaken
benötigt worden, von welchen letztere nur schwer aufzutreiben waren.
Das Aufzeichnen von Ereignissen, die nahezu hundert Jahre zurückliegen,
hat auch im übrigen im Hinblick auf die Details einiges an Überlegen
abverlangt.
- Im allgemeinen, wenn für einen Film ein Auto gebraucht wird, ist dies
leicht herbeizuschaffen, aber Autos aus dem Jahr 1917 oder 1918 sind
nicht so leicht zu finden, sagt
der Filmregisseur.
Das für Den Befehl benötigte alte Auto, ein schwarzer Buick des Jahres
1917, fand sich im TS Automobil- und Kommunikationsmuseum. Zusammen mit
dem Wagen kam auch ein die Knüppelschaltung und die anderen
Kinkerlitzchen des Autos meisternder Chauffeur, ein gewisser Matti Lehtonen, ein
Restaurateur für Autos.
Lehtonen bekam einen Ledermantel, eine Schildmütze und eine glatte Hose
zum Anziehen, aber alle Anforderungen des geschichtlichen Films waren
nicht ganz so einfach zu erfüllen.
- Ich sehe schlecht, aber ich konnte meine Brille nicht benutzen, weil
es solche Dinge damals nicht gab, führt Lehtonen aus.
Der Chauffeur sollte jedoch trotzdem an die zehn Mal durch ein schmales
Tor in den Hof des Landhauses von Brinkhall stechen, und auf einen
genau vorbestimmten Platz hin.
Lehtonen, der ein paar Abende mit den Aufnahmen zugebracht hat, gibt
den Erfahrungen ein einziges Eigenschaftswort: es war bitterkalt.
- Bei meiner zweiten Szene kamen wir im offenen Wagen von einem
Picknick, so daß alle Schauspieler Sommersachen anhatten. Es ging ein stärker
Wind und alle waren ganz schön durchgefroren, stellt Lehtonen klar.
Wegen dem Landhaus und den äußeren Inseln
Der Regisseur kommt nicht umhin, regelmäßig zu erklären, wieso es ihn
so oft noch Turku zieht.
- Als ich den Film Unruhige in Turku drehte, fühlte ich mich, als wäre
ich im Ausland gewesen. Für den Film
Der entblößte Mann benötigten wir das kirchliche Zentrum Finnlands, obwohl dies dann zum Schluß seine
eigenen Schwierigkeiten machte, als wir wegen der Domkirche
hierhergekommen waren. Louhimies weist auf die Rückgängigmachung der Dreherlaubnis hin.
- Das Buch von Leena Lander spielt sich in Süd-Finnland ab, aber
hierher kamen wir hauptsächlich wegen dem Landhaus von Brinkhall und den
Aufnahmeplätzen der äußeren Inseln.
Die Dreharbeiten zum Film Der Befehl gingen am Mittwoch mit
Unterwasseraufnahmen in Inkoo weiter. Danach zieht die Aufnahmetruppe auf eine
kleine, auf der Südseite von Jurmo gelegene Insel weiter.
In Turku werden im Sommer auch die Dreharbeiten für einen weiteren
Leena-Lander-Film an der Reihe sein, für Das Heim der schwarzen
Schmetterlinge mit Dome Karukoski als Regisseur. Die Erstaufführung des Films Der
Befehl wird aller Voraussicht nach in finnischen Lichtspielhäusern am
5. Januar, und die von Das Heim der schwarzen Schmetterlinge am 11.
Januar 2008 sein.
Kaisa Kujanpää